Barockmusik, wie sie klingen sollte
Eine Ode für Cäcilia
Das Barockorchester Reutlingen spielte am Freitag in der Citykirche
Die heilige Cäcilia hat eine ganze Reihe an Jobs, wie die meisten ihrer Kollegen: Sie ist nicht nur Patronin der Kirchenmusik, sondern auch der Organisten, Orgelbauer, Instrumentenmacher, Sänger, Musiker und Dichter. Vor allem im 17. und 18. Jahrhundert stand sie hoch im Kurs, wurde mit einem eigenen Festtag und Kompositionen geehrt. Daran hat man sich nun in Reutlingen erinnert. Vergangenen Freitag war Cäcilientag, und das junge Barockorchester Reutlingen (BOR) von Petra Marianowski griff die Gepflogenheit auf. »Ode for St. Cecilia’s Day« war das Konzert in der Nikolaikirche überschrieben.
Henry Purcell, der große Brite des 17. Jahrhunderts, schrieb 1683 für eine Cäcilienfeier „Welcom to all the pleasures“, das Barockorchester hatte die kleine Perle ans Ende des Programms gesetzt. Dass man davor schon richtig in Cäcilien-Stimmung kam, dafür sorgte Teil eins. „Die Heilige Cäcilia oder Die Gewalt der Musik“ ist eine Erzählung Heinrich von Kleists. In vier Teilen las Joscha Bernath diese Zeitreise in die aufgeheizte Welt der Bilderstürmer, vier junger Männer, deren wüster Plan auf wundersame Weise zunichte gemacht wurde. Zwischen den Lesungen spielte das BOR bereits Purcell: Musik aus der Sommernachtstraum-Bearbeitung „The Fairy Queen“ und die Arie „So when the glitt’ring Queen of Night“.
Ein ebenso klug wie liebevoll gestaltetes Programm also, kurzweilig und anspruchsvoll zugleich, das die Zuhörer richtiggehend verzauberte. Stimmig bis ins Detail zeichnete das auf Darmsaiten und mit historischen Instrumenten oder Nachbauten musizierende Ensemble die reiche Formensprache von Purcell nach. Den Bläsern verlangte Purcell durchaus etwas ab, zumal das BOR gern im oberen Tempobereich musiziert. Mit überzeugendem Ergebnis.
Petra Marianowski, eine vielfach ausgezeichnete Dreißigjährige mit Reutlinger Wurzeln , dirigiert ihr knappes Dutzend Musiker vom Cembalo aus, mit Blicken, Schultern, Körperspannung und manchem Lockenwurf. Ihre Mitwirkenden sind alle Jung-Profis. Die findet sie im Umfeld der Musikhochschulen des Landes. Zusammen gelingt ihnen eine ganz eigene, junge, unaufgeregt-entspannte Art zu musizieren. Dankenswerterweise wird gestimmt, was das Zeug hält. Nach der Pause erklärte Marianowski kurz den Unterschied zwischen einem Cello und einer Gambe und machte auch gleich auf den geschnitzten Cäcilienkopf aufmerksam, der anstelle einer Schnecke dieses historische Instrument ziert. Sie liebt, was sie tut, und das steckt an.
Das Quintett der Vokalsolisten hatte nicht viel zu tun. Schade eigentlich, denn mit den Sopranistinnen Christina Reges-Manz und Leonie Zehle, der Mezzosopranistin Silvia Lustig Häntsche, Tenor Sören Richter und Bass Klaus F. Müller waren brillant geführte Stimmen zu hören, wie man sie sich bei weitaus größeren Partien oft wünschen würde. Merken muss man sich wohl Tenor Richter.
Nur eines war wahrhaft bedauerlich: In die Nikolaikirche hätten weitaus mehr Zuhörer gepasst, und ein solcher Kunstgenuss hätte das auch mehr als verdient gehabt. Liebe Musikfreunde aus Reutlingen und Umgebung, sei der Abend auch noch so nasskalt, das Barockorchester Reutlingen dürfen Sie sich beim nächsten Auftritt keinesfalls entgehen lassen.
Veröffentlicht wurde de Text im Reutlinger General-Anzeiger vom 26. November 2013 (Paywall).