James Blunt macht Frauen glücklich
Große Gefühle im Overall
Der viel geschmähte Schmusebarde James Blunt erfreut in der ausverkauften Schleyerhalle mit Ohrwürmern in Serie und irritiert mit Raketenmechaniker-Look
Häme kann ja sehr unterhaltsam sein. James Blunt gilt als Pathos-Verströmer und Schmalzlappen. Irgendein deutscher Musikkritiker hat ihm den durchaus possierlichen Spitznamen »Weinerle« angehängt. Bei den meisten Feuilletonisten ist der Hitkomponist mit dem Falsett-Faible so beliebt wie eine Wurzelbehandlung, und das lassen sie auch raushängen. Ein gutes Beispiel dafür, wie Feuilleton und Normalverbraucher manchmal gründlich aneinander vorbei leben. »Bonfire Heart«, die erste Single aus dem neuen Album des 40-jährigen Briten, stieg auf Platz eins in die Hitparade ein. Die Schleyerhalle war am Samstag randvoll, Zusatzkonzerte in Deutschland sind im Sommer und Herbst anberaumt.
Hat man es da etwa mit lauter geschmacksverwirrten Konsumenten zu tun? Lassen wir die Kirche mal im Dorf. Der Ex-Soldat Blunt, der 2005 mit „You’re beautiful“ fast über Nacht bekannt wurde, ist kein One-Hit-Wonder. Er komponiert Ohrwürmer in Serie, als ob das die einfachste Sache der Welt wäre. Er kann respektabel Klavier und Gitarre spielen. Er trifft einen Abend lang beim Singen jeden Ton. Und seine Texte über Leben, Liebe und Leiden können ganze Schleyerhallen voller Menschen auswendig. Über Geschmack streiten ist bekanntlich so eine Sache, aber eins ist klar: Blunt macht seinen Job richtig gut.
Wer in einer Konzertkritik Gemotze lesen will, bitteschön: Blunt hat live eine kleine Singmarotte – er überfrachtet alles, ungefähr so, als ob beim Sprechen jemand jede Silbe betonen würde. Unschlimm.
Schlimmer: Weil das neue Album „Moon Landing“ heißt, wird das Konzert als Raumfahrer-Epos inszeniert. Und zwar songtextunabhängig und penetrant. Auf den Videowänden Raketenstarts in allen Varianten, unterbrochen durch Raketenkonstruktionszeichnungen und Weltraum-Animationen. Die Band steht auf runden Podesten, die aussehen sollen wie abgetrennte Raketenstufen, und trägt ebenso wie Blunt selbst Raketenmechanikeroveralls. Mäßig kleidsame Dinger mit großem Union Jack auf dem Oberarm. Ist ja gut, Raketenbotschaft angekommen. Nur: Was genau soll uns das eigentlich sagen?
Egal, der Mann ist ja zum Singen da. Tut er auch. Knappe zwei Stunden lang, und der Live-Sound liegt nah an der Studioqualität. Aus seiner umfangreichen Ohrwurm-Kollektion hat Blunt 21 Songs klug ausgewählt. Nur sieben waren es vom neuen Album, plus genügend Altes, um die Halle in wohlige Mitsing-Wallungen zu versetzen.
Das klappt allerdings nicht sofort. Anfangs lehnt sich das Publikum arg in der Bestuhlung zurück. Das passt Blunt nicht. Sie seien zum Arbeiten da, lässt er die Leute wissen und animiert sie erfolgreich. Gegen später wird selbst auf den Rängen getanzt. Blunt wünscht sich einen Smartphone-Sternenhimmel und bekommt ihn prompt. Britischen Humor gibt‘s auch: Als Blunt sich die Ukulele umhängt, merkt er an, dies sei die Gitarre, die er normalerweise mit ins Schlafzimmer nehme, „to make me look bigger“. Ob das noch nötig ist?
Veröffentlicht wurde der Text im Reutlinger General-Anzeiger vom 24. März 2014 (Paywall).