Verbissen: Degenhardt der Jüngere
Aus Zeit und Raum gefallen
Kai Degenhardt, Sohn des Liedermachers Franz Josef, singt noch immer vom Kommunismus
Franz Josef Degenhardt gehört zur großen Ahnengalerie der deutschen Liedermacher. Damit ist ein Etikett definiert: Kai Degenhardt wird sein Leben lang Sohn bleiben. Möglich, dass er sich als Maler oder Hiphopper leichter täte. Aber auch er ist Liedermacher. Und zwar einer, der die Musiksprache der 70er-Jahre spricht. Am Sonntagabend spielte er im franz.K. Knapp 20 Zuhörer interessierten sich dafür. Sie erlebten einen Abend, der irgendwie aus Zeit und Raum gefallen schien. Einen Mann, der seine Gitarre zupfte und linke Texte sang. Über Wirtschaftskrise, Rassismus und Kriegseinsätze: »Menschenrechte, Babyleichen, Boys, wir gehen rein!« Um Fanta und Milkyway zu bringen. »Vergessen ist längst Stalingrad, vergessen Vietnam.« Dazu passend von einem älteren Album: »Homecoming«, das Lied vom Zinksarg.
Mal nimmt er die akustische Gitarre, mal das E-Modell. In seiner One-Man-Show fehlt der Roadie, der die Saiten während des Gigs nachstimmt. Die immer schrägeren Schwingungen klingen nach Straßenmusik. Und dann erklärt er die Technik zu seinen Füßen: einen Loop-Recorder, mit dem er sich selbst aufnimmt, eins ums andere Mal, und live sampelt. So beginnt der musikalisch spannendere Part des Konzerts. Auch in diesen Texten bleibt er seiner politischen Linie treu, wie er sie oft in kommunistischen Publikationen ausformuliert. Im Titelsong des neuen Albums „Weiter draußen“ zitiert er eine Frage, die ihn immer wieder verletzt: was die Protestsong-Scheiße soll. Er singt weiter, kann vielleicht nicht anders. Er ist sperrig, eigen und kein bisschen unterhaltsam. Sein Publikum klatscht respektvoll.
Veröffentlicht wurde der Text im Reutlinger General-Anzeiger vom 24. November 2009 (Paywall).