Jan Josef Liefers, König der Herzen

Hauptsache Jan

Im Tatort der Gerichtsmediziner, im franz.K der Kassenschlager: Jan Josef Liefers macht mit seiner Band Radio Doria deutschen Poprock und glänzt als Sympathieträger

Wenn morgen der beliebteste Deutsche gewählt würde, sollte man auf ihn wetten: Jan Josef Liefers, jenen Schauspieler, der als Gerichtsmediziner Boerne im Tatort aus Münster mehr Zuschauer binden kann als so manches Fußballspiel. Ein gerade 50 gewordener Lausbub, der durch bemerkenswerte Echtheit und Glaubwürdigkeit auffällt, auch in seiner Promi-Ehe mit Anna Loos und bei allerhand politischen Äußerungen. Am Donnerstag war er in Reutlingen zu Gast. Selten war das franz.K so voll. Jan zieht.

Jan singt auch. Schon lange, und mehr als ein Jahrzehnt mit derselben Band. Die hieß mal Oblivion, musste diesen Namen nach einem Rechtsstreit ablegen und nennt sich heute „Radio Doria“. Auf einer früheren Deutschland-Tour spielten sie das Bühnenprogramm „Soundtrack meiner Kindheit“, in dem Liefers DDR-Musik und DDR-Erinnerungen verwob zu einer sehr persönlichen Zeitreise. Von eigenen Songs war bislang keine Rede. Das hat sich im Herbst 2014 geändert. Da erschien das Album „Radio Doria – Die Freie Stimme der Schlaflosigkeit“. Deutscher Poprock, und zwar aus der Feder von Liefers und seiner Band. Was die Plattenfirma sehr betont: Das sei ja etwas völlig anderes als in jenen Konstellationen, wo ein Schauspieler mit Studiomusikern und vorgefertigten Kompositionen flugs ein Album einspiele. Liefers und seine Combo haben sich das Ganze selbst erarbeitet. Da war er wieder: der authentische Jan.

Und wie klingt das? Nicht schlecht. Eingängig, zeitlos. Einige Melodien haken sich im Ohr fest. Die Texte sind deutsch, somit besonders auf dem Prüfstand, aber sie funktionieren. Wenn sie auch kein Quantensprung sind. Das Ganze erinnert mal an Clueso und schlimmstenfalls auch kurz an Pur. Live ist es auf angenehme Weise rockiger als auf dem Album. Die Band überzeugt. Und Jan?

Jan ist sympathisch. Er scherzt und tanzt und erzählt. Davon, wie er in Vollmondnächten nicht schlafen kann und dann lieber was erlebt. Rausgeht oder, wie es in der Legende zum Album heißt, unter der Bettdecke Radio hört. Das spielen sie auf der Bühne nach, dieses Knistern und Rauschen, wenn man an einem Weltempfänger dreht. Schauspieler Liefers brabbelt munter die vielsprachigen Gesprächsfetzen ins Mikro. Das kann Jan.

Aber wie singt Jan denn nun? Tja, um dieses Thema kann man sich einfach nicht drücken. Mit eher heller Stimme, natürlich und beherzt. Aber nicht immer treffsicher, was die Tonhöhe angeht. Er ist im Konzert stellenweise schwer zu verstehen. So sehr man spürt, wie gern er das macht, so sehr ahnt man auch, dass das Konzert nicht ganz so gut besucht wäre, wäre der Mann da vorn nicht Tatort-Star und Sympathieträger Nummer eins. Jetzt ist es raus: Eine reine Musikkarriere wäre ihm vermutlich nie gelungen, dem Jan.

Am Donnerstag störte das niemanden. Das Mehrgenerationen-Publikum ging vom ersten Moment an mit, sang und klatschte. Die Band war prima und Jan der König der Herzen.

Veröffentlicht wurde der Text im Reutlinger General-Anzeiger vom 6. Dezember 2014 (Paywall).