Brandenburgisches Konzert mal mit Klavier

Programm aus der Wunschbox

Metzinger Kammerorchester spielte „Was uns gefällt“

Wie erzieht eigentlich der Lehrer seine Kinder? Was verschreibt der Arzt seiner Frau, wenn sie Grippe hat? Und welche Kompositionen möchte ein Orchester-Musiker spielen, wenn er endlich mal selbst aussuchen darf? Das Metzinger Kammerorchester hat es ausprobiert. Eine Wunschbox wurde aufgestellt, Dirigent Oliver Bensch wertete die Wahlscheine aus, demokratisch, aber auch mit Minderheiten-Schutz. So entstand fürs 36. Herbstkonzert eine Mischung, wie man sie nicht jeden Tag auf einem Konzertprogramm findet – ein kleinteiliges Musikmosaik aus dreieinhalb Jahrhunderten. Rund 200 Interessierte kamen am Sonntagabend zum Zuhören in die Metzinger Stadthalle.

Felix Mendelssohn Bartholdy schrieb in früher Jugend Streichersinfonien. Einen Satz aus der Nr. 10 gab es zum Auftakt – ein Stück voll satter Wärme und Sonnenlicht, quasi ein Gegengift zum nassgrauen Herbst vor der Stadthallentür. Drei Sätze aus Johann Sebastian Bachs 5. Brandenburgischen Konzert schlossen sich an, in einer Orchestrierung, wie man sie selten hört: Um keinen seiner acht Cellisten zum Pausieren zu zwingen, hatte Dirigent Bensch einfach auf massivere Klänge gesetzt und das zarte Cembalo durch einen Flügel ersetzt. An dem saß Stephen Blaich und verwob seine Partie gekonnt mit Flötistin Ulrike Ziegler und Beatrice Erhart an der Geige. Vielleicht hätte es gutgetan, die Solo-Instrumente zwischen den Sätzen nochmal nachzustimmen – insgesamt gelang der Klassik-Hit in gemäßigtem Tempo stimmig.

Die zweite Hälfte wurde moderner. Finnischer Tango, erfuhr man vom moderierenden Bensch, habe erstens viel Tradition und zweitens im Melodischen einen steten Drang nach unten. Zeitgenosse Aulis Sallinen hat 1996 „Introduction und Tango Overtüre“ geschrieben. Seine sehr chromatisch angelegten Motive mäanderten tatsächlich abwärts, dabei zwischen Harmonien kippelnd. Hier konnte man besonders gut erleben, wie Bensch und sein Orchester Musik verstehen und sich zu eigen machen.

Als „unverwüstlich“, aber auch „sackschwer“ etikettierte der moderierende Dirigent die Streicherserenade op. 48 von Peter Tschaikowsky. Wenigstens die langsame Elegie sei für seine Metzinger zu schaffen, hatte er entschieden und führte es gleich vor: Die große Bewegung war drin, das Schwingen und die Weite. Anschließend gab’s zur Erheiterung schon mal die spätere Zugabe: Johann Strauß‘ Pizzicato-Polka, ein musikalischer Scherz, und wieder sah man, wie die rund 40 Mitglieder an ihrem Dirigenten hängen, dem Chefscherzer, dessen Hände die Pointen gekonnt platzierten.

Vor Robert Schumanns Abendlied hatte es noch ein Mosaikstein mit spezieller Geschichte aus der Wunschbox auf die Bühne geschafft: Manuel de Fallas Spanischer Tanz gilt längst als Bravourstückchen. Orchestermitglied Gotthard Schulz hatte es eigens neu arrangiert für die Metzinger und ihren Solo-Bratschisten, den früheren Dirigenten Hannes Schmeisser. Eine effektreiche Uraufführung, die mit einem kollektiven Fußstampfen und besonders herzlichem Applaus endete.

Veröffentlicht wurde der Text im Reutlinger General-Anzeiger vom 22. Oktober 2013 (Paywall).