Hämmerle total vernetzt

Online ganz im Glück

Hämmerle total vernetzt: Bernd Kohlhepps Bempflinger Kunstfigur tauchte in die Untiefen des Internets

Ach ja, Humor. Ein Streitthema. Kann man jeden Tag erleben, sofern man das Ding namens Fernbedienung bemüht und sich kurzfristig anschaut, was offenbar genügend quotenrelevante Leute begeistert. Nun! Es haben ja auch nicht alle dasselbe Leibgericht. Was am Freitag im franz.K serviert wurde, schmeckte der Kritikerin über die Maßen. Die hat sonst ja viel zu motzen. Nicht diesmal: Bei Bernd Kohlhepps Programm „Hämmerle TV – total vernetzt“ passte einfach alles. Gute Zutaten, professionell zubereitet und liebevoll abgeschmeckt. Sorry, so fangen langweilige Kritiken an.

Seinen Hämmerle, den breit schwäbelnden Hutträger aus Bempflingen, dekliniert Kohlhepp schon zwei Jahrzehnte durch. Diesmal macht Hämmerle was mit Medien. Er hat die Gattin eingebüßt und das Internet erobert, oder andersrum, jedenfalls ist der Schwabe jetzt ständig online und ganz im Glück. Er hat ein Sakko-Set günstig erworben, und das wird mit jedem Umziehen besser. Eine internetfähige Haarbürste misst den Widerstand und ordert zur rechten Zeit Pflegeprodukte für die Glatze. Auf der Smartwatch ist Ben Hur ganz großes Kino. Von unterwegs kann man die Hausgeräte steuern! „Heißes Wasser kannsch immer brauchen. Wenn nicht, frierschs halt ein.“ Ha, und er könnte Einbrecher daheim beobachten, sogar mit ihnen reden: Der gelbe Sack müsste noch runter!

Plötzlich zieht der Neffe seiner Ex bei ihm ein. „Bei der Hose war’s unklar, zieht er sie grad aus oder zieht er sie grad an.“ Justin und seine praktisch mit Sicherheitsnadeln ausgestattete Freundin bringen ihm das Leben der jungen Leute näher, bis zu einem verhängnisvollen Poetry Slam.

All das ist originell und eigen. Mit Leichtigkeit schlau, nicht verkopft. Biertischkompatibel, nie dumpf. Die Kaffeemaschine namens Melitta, sie spricht markig mit schnarrendem R und sondert braune Brühe ab, wird abgeschaltet. Dass Kohlhepp Impro-Theater kann, weiß man ja, aber was er spontan mit den Leuten in Reihe Eins abzieht, gehört zum Stärksten des Abends. Moment, das Stärkste waren die Einspieler. Oder nein, die Songs, urig umgedichtete Welthits: Er singt und swingt oldschool mit Herz und Können. Ja, was nun? Vielleicht war es einfach die Dichte. Die vielen guten Ideen. Die mühelosen Lacher. Ach, egal. Genial!

Veröffentlicht wurde der Text am 11. November 2019 im Reutlinger General-Anzeiger (Paywall).

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