Katrin Bauerfeind über die Liebe

Heimgehen, Mama anrufen!

Katrin Bauerfeind knöpft sich die Liebe vor

Fernsehgesicht sein. Ist das eigentlich ein richtiger Beruf? Und was, wenn man jung schon zum Fernsehgesicht wurde, muss man es 50 Jahre bleiben? Katrin Bauerfeind ist so ein Fall. Die kennt man, die gehörte Jahre zur Harald-Schmidt-Show, die hatte zig eigene Sendungen und Talk-Formate, seitdem sie Mitte der 2000er als Studentin mit „Ehrensenf“ bekannt wurde und einen Grimmepreis bekam. Jetzt ist die Schwäbin aus Aalen mit der markant tiefen Stimme und der dreckigen Lache gerade 35, und es wird stiller um sie. Da muss man doch was tun!

Bauerfeind schrieb ein Buch, „Alles kann. Liebe muss“, und weil sie zum reinen Vorlesen nicht taugt, ist sie jetzt mit „Liebe. Die Tour zum Gefühl“ durch deutsche Hallen unterwegs. Am Pfingstsamstag war sie im Stuttgarter Theaterhaus und verbuchte das, sofort begeistert drauflosschwäbelnd, als Heimspiel. Durchaus zu Recht.

Gute zwei Stunden fügt sie Szenen aneinander, um ein Mosaik von der Liebe zu erzeugen. Lästert zum Warmwerden über ihre Familie, wo Eltern und Oma sicher eine rentable Lösung eingefallen wäre, hätte man ihre Katrin je entführt. Einander einfach mal sagen, dass man sich lieb hat? Undenkbar! Liebe zeige sich nur in Übersprungshandlungen wie nächtlichen Fahrdiensten des Vaters. Mit der Liebe in Familien sei es halt wie mit der Gurkenscheibe im Hamburger: „Man ist wahnsinnig überrascht, dass sie überhaupt da ist.“

Der Ernst schleicht sich sachte ein. Um Sprachlosigkeit in Liebesdingen zu überwinden, lädt sie ihren Vater ein zum Gleitschirmfliegen. Aber alle sind wie immer, man nervt sich schon auf der Anfahrt, der Papa lässt sie am Berg stehen und verschmäht das teure Geschenk. Ein Etappensieg für die Liebe wird es dann doch noch. Und während das Publikum befreit lacht, wird wohl an so manche bittere Szene mit den eigenen Eltern gedacht.

Es geht auch drolliger. Schwitzhände im Kino mit der ersten Liebe Markus. Knutschen mit Mario in Italien – wo die Liebe nur hielt, bis der Ramazotti wieder draußen war. Revierverhalten im Zug. Laktose-Intoleranz. Generve mit dem Mann im Haushalt. Führt zum Vergleich, ob es Singles oder Menschen mit Partner blöder haben in Alltag und Freizeit.

All das ist gut beobachtet und schön erzählt. Im Publikum wird emsig geschmunzelt und oft gelacht. Es gibt so viel schlechtere Comedy. Entspannt und sympathisch ist es eh, mit der Bauerfeind würde man auch mal einen trinken gehen.

Und dann sind da noch diese Momente, in denen Ironie und Lachen plötzlich ausbleiben. Der ernst gemeinte Appell, künftig jedes fünfte Mal zu lächeln, statt negativ oder aggressiv zu werden, und so die Welt zu verbessern. Ihr Auftritt als Kanzlerin, die das meckernde Volk auf Linie bringt. Herzwärmende Worte fürs Daheimsein beim Partner. Plus der Rat, jeder, der sich nach Liebe sehne, sollte sich mal in sich selbst verlieben. Dann der eindeutig missionarische Schluss: „Ich wünsche euch Liebe. Liebt los!“ Am besten nach dem Heimkommen gleich die Mutter anrufen. Comedy ist das nicht mehr. Aber vielleicht wirkt’s.

Veröffentlich wurde der Text am 22. Mai 2018 im Reutlinger General-Anzeiger.

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