Feiern mit Fury in the Slaughterhouse

Tage zum Nichtvergessen

Ziemlich frisch für ihr Alter: Fury in the Slaughterhouse waren auf dem Stuttgarter Killesberg

Wer ist plusminus 50 Jahre alt und war unlängst auf einem Abi-Fest, einem runden Geburtstag oder sonstigen Retro-Revival-Sausen? Lief dort „Won’t forget these days“? Oder ein anderer Ohrwurm von Fury in the Slaughterhouse? Wohl schon. Was diese Band aus Hannover Ende der 1980er und in den 90ern gespielt hat, gehört einfach zum Soundtrack jener Generation. Jetzt kann man den wieder hören und feiern. Das tun viele auch, ganz genüsslich, wie am Samstagabend auf dem Killesberg.

Fury hat ein nagelneues Album, „Hope“. So heißt auch die Tour, und überhaupt ist die Band auffällig gut gealtert. Das Album landete sofort auf Platz Eins der deutschen Hitparade. Mit ihren co-gealterten Fans kann die Band sehr zufrieden sein: Beim Konzert erlebte man wenige der freundlich-fußwippenden Sorte, die sonst betagteren Musikern beim Hits-Aufwärmen beiwohnt, meist sitzend. Stattdessen: volles Haus und lauter tanzfreudige, emotionale Sing- und Klatschmenschen. Die ihre Hymne leben. Es war ja auch einer dieser Tage zum Nichtvergessen: „Won’t forget these days“, sangen sie alle inbrünstig mit, die Anfangfünfziger, Arm in Arm mit mitgebrachten Kumpels oder Freundinnen. Man schaute sich dabei tief in die Augen, und keiner wusste mehr, ob das eher ironische Gaudi oder herzerwärmende Retro-Seligkeit ist oder beides.

Damals, in den späten 80ern, war Fury das, was alle brauchten, denen die Neue Deutsche Welle den letzten Nerv geraubt hatte. Gerader Poprock mit melodiösen Refrains, aus heutiger Perspektive fühlt es sich fast an wie eine Coldplay-Vorstufe. Fury würzt den Sound mit verträglichen Prisen von Folk und Funk. Das schmeckte nicht immer gleich gut: Die späten 90er und die 00er-Jahre waren für die Band eher mäßig, 2008 hat sie sich ganz offiziell aufgelöst.

Sporadisch traf man sich für Konzerte und merkte: Oh, das macht ja noch Spaß! 2017 wurde die Band ebenso offiziell zum zweiten Mal gegründet. Vier der fünf Gründungsmitglieder von 1986 waren noch dabei. Heute zählt man sieben Bandmitglieder auf der Bühne und erlebt bei jedem Solo: Die wollen noch, und die können halt einfach auch. Okay, Sänger Kai Wingenfelder kann einige der hohen Töne nicht mehr und variiert drum Melodien (aber Morten Harket trickst ja auch bei „Take on me“). Ansonsten hat Wingenfelders Stimme eher gewonnen.

„Mono“ hieß das bisher erfolgreichste Album, genau 30 Jahre alt, drum waren haufenweise alte Songs mit im Programm, sehr zur Freude der Fans. „Radio Orchid“, „Friendly Fire“ mit der Band als Knabenchor, „Dead and Gone“, „Every Generation got it’s own desease“ samt mahnender Botschaft auf der Video-Leinwand. Plus noch mehr Klassiker. Plus neue Songs, mit denen man schnell warm wurde. Mehr als zwei Stunden genossen Musiker und Fans ihr Wiedersehen. Won’t forget this evening.

Veröffentlicht wurde der Text am 12. September 2023 im Reutlinger General-Anzeiger (Paywall).

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