Ewige Achtziger bei Toto

Einmal „Africa“ zum Mitsingen, bitte

Die Band Toto feiert ihr 40-jähriges Bestehen mit einem neuen Album, einer Welttournee und treuen Fans

Wer in nächster Zeit ein Fest plant und die Feiernden untertags in zwei Gruppen aufteilen will, sei es für eine Besichtigung oder ein Ballspiel, dem sei die Band Toto empfohlen. Wenige Takte genügen vollauf, um die Anwesenden sauber zu halbieren. Eine Hälfte wird fluchend fliehen. Nennen wir dieses Team der Einfachheit halber „Iiih, hör auf mit dem Achtzigerscheiß“. Die andere Hälfte bleibt und verlangt verzückt mehr. Zuerst das percussiongetragen tröpfelnde „Africa“, das wohl jeder mal als A-cappella-Version eines sich für progressiv haltenden Chors gehört hat. Dann das dank Gitarrenriff in drei Sekunden identifizierbare „Hold the Line“. Oder „Rosanna“ mit dem vertrackten Rhythmuswechsel. Und natürlich das optimistische „Stop loving you“. Ja, genau so klangen die Achtziger. Und der Dienstagabend in Stuttgart auch.

Toto, das sind über 40 Jahre Bandgeschichte (mit kurzer Pause). Aktuell tourt die 1976 gegründete Formation um die Welt, um ihr frisch gepresstes Jubiläumsalbum „40 Trips around the Sun“ mit Fans zu zelebrieren: Greatest Hits und Geheimtipps plus drei neue Songs, in denen auch alte Aufnahmen mit verstorbenen Bandmitgliedern verarbeitet wurden. Am Dienstag trafen sich die Band und rund 6000 Getreue in der Stuttgarter Porsche-Arena. Zum Feiern: Das Team „Iiih, hör mir auf mit dem Achtzigerscheiß“ war wohlweislich weggeblieben, und so hatten alle einen schönen Abend.

Ja, man muss ja auch hingehen und kräftig mitsingen, wenn musikalische Helden aus der Jugend in der Gegend sind. Schließlich wurde schon manch einer beerdigt, der einst zu den Favoriten im Plattenschrank gehörte. Der typische Toto-Gast am Dienstag war männlich, über 50 und ernsthaft. Über weite Teile des Abends wirkten die Massen ungerührt, nur hier und da Kopfbewegungen im Rhythmus. Aber davon durfte man sich nicht täuschen lassen: In Toto-Fans und Toto-Nerds lodert ein Feuer, das unvermutet ausbricht. Beispielsweise wenn Gitarrenlegende Steve Lukather oder das zweite Gründungsmitglied David Paich am Keyboard minutenlange Soli spielen und dafür bejubelt werden, wie das heute kaum noch üblich ist.

Eins ist klar: Musikalisch macht den älteren Herren in teils seltsamer Gewandung (den knöchellangen Mantel von Sänger Joseph Williams musste man erst mal ignorieren lernen) keiner was vor. Lukather mit seiner Allstar-Biografie – er spielte beispielsweise für Paul McCartney Michael Jackson, Elton John, Eric Clapton und Joe Cocker – entlockt Gitarren unfassbare Klangwelten, Effekte und Energie. Die Stimme von Williams ist bemerkenswert gut gereift. Mit zwei Mann an Tasten und zwei Mann für Schlagzeug und Percussion war der opulente Sound gesichert.

Genau, Sound. Mehr braucht es da nicht: Ein Toto-Konzert ist auch eine Zeitreise in die Ära, als Konzerte noch daraus bestanden, Musikern zuzuhören. Keine Videos, Leinwände und Großaufnahmen. Sondern eine mäßige Lightshow und ein schwarzes Tuch als Bühnenhintergrund, das bestenfalls mal bunt beleuchtet wurde. Und das Allerschönste: Auch das Publikum war kaum illuminiert. Das permanente Glimmen von Displays, das inzwischen die Hallen prägt, hatte am Dienstag meist Pause. Wenn pro Hallenblock nur zwei, drei Smartphones geschwenkt werden, ist das schon wieder rührend.

Für den Mittelteil des Konzerts rückte man enger zusammen. In kleiner Runde erzählten die Veteranen von damals: wie einer die Song-Idee hatte und der andere was draus machte. Zwischendurch wurden Songs angespielt, Schnipsel. Das Publikum ging gern mit auf Zeitreise. Nach gut zwei Stunden, nach leisen Tönen und pathetischem Abrocken war es Zeit: „Are you ready für THAT SONG?“ Rhetorische Frage. „Africa“ kam ohne sanftes Regenprasseln daher, sondern vom ersten Takt als solider Klatsch und Stampf. Eine gigantische extended Version, die in einen ebenso  extended Riesenapplaus mündete. Auch der: ganz alte Schule.

Veröffentlich wurde der Text am 15. März 2018 im Reutlinger General-Anzeiger sowie – in kürzerer Fassung – in der Schwäbischen Zeitung.

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