Fanta Vier daheim auf dem Wasen

Feiern mit dem dicken Pulli an

Heimspiel in der Mutterstadt: Dreiunddreißig Jahre nach ihrer Bandgründung rappten die Fantastischen Vier am Freitagabend für rund 28.000 alte Freunde

Das Stuttgarter Stadion war zu klein für die offizielle Jubiläumstour der Fantastischen Vier. Die Hip-Hopper zelebrieren wegen Corona ihr Dreißigjähriges erst kurz vorm 33-jährigen Bandgeburtstag (der jetzt im Juli ist). Statt Stadion haben sie den Wasen genommen und ihn gleich zweimal voll bekommen: Am Freitag genossen rund 28.000 Fanta-Anhänger das Wiedersehen. Die Vier auf der Bühne ebenfalls, das war deutlich, gut zwei Stunden lang.

Es kann ja beim besten Willen auch keiner stillhalten, wenn der hypnotische Rhythmus von „MfG“ über den Platz wabert.

Die Tribünen links und rechts begannen Punkt halb neun im Takt zu wippen. Tausende Textsichere rappten mit, bierernst oder freudestrahlend. Binnen Sekunden war alles eins.

Denn sie waren alle gekommen, wie zum 30-jährigen Abi-Treffen. Die, die immer schon cool waren. Die, die immer schon cool sein wollten. Viele mit teuer gekleideten Halbwüchsigen im Schlepptau. Und viele, die am Merchandising-Stand offenbar nicht vorbeigekommen waren, ohne den Hoodie mit der Aufschrift „Dicker Pulli“ zu kaufen. Vermutlich auch irgendwo: die echten Freunde und Jugendtreff-Bekannten von damals.

Gelernt ist gelernt

Klar: Ihr Durchbruch-Hit „Die da“, worauf der „Dicke Pulli“ anspielt, kam an dem Abend noch. Wie überhaupt viel von alten Alben kam – man hatte nicht den Eindruck, dass das irgendwen stört, im Gegenteil. Ein Hip-Hop-Song hat sehr viel mehr Text als die Durchschnitts-Rockballade, aber wenn man sich die Sachen im richtigen Alter auf die Festplatte brennt, bleiben sie.

Mitrappen ging allerdings auch nicht immer. Denn Smudo, Michi Beck, Thomas D und im Hintergrund And.Ypsilon hatten aus gegebenem Anlass so manchen Reim erneuert. Ironisch, rotzig, nostalgisch, dankbar.

Allenthalben Perfektion

Das war alles überaus persönlich. Das vielleicht Unpersönlichste: die allumfassende Perfektion. Eine Band, bei der immer alles sitzt, passt, Spaß macht. Allein diese Blechbläser! Dazu ein Sound, der es schaffte, überall auf dem Platz richtig rüberzukommen. Bildregie und Videoleinwände nie nervig, sondern als klug platzierte Hingucker mit Jahrzehnte alten, schrabbeligen Konzert-Mitschnitten. Schönes Licht, das mit dem Live-Himmel samt Mondsichel wetteiferte, immer wieder magische Momente schuf. Ist halt auch technisch viel passiert in diesen drei Jahrzehnten.

Atempausen? Wozu?

Wann genau ein Rapper während seiner Wortkaskaden atmet, weiß eh keiner. Auch der Abend hatte kaum Atempausen. Es gab einfach zu viele Hits zum Wiederhören. „Was geht“, „Zu geil für diese Welt“, „Der Picknicker“, „Sie ist weg“, „Troy“. Eine Liga für sich waren die langsameren Stücke, der „Krieger“ und der „Tag am Meer“.

Ohne die Stuttgarter gäbe es sie nicht, das haben die Vier an dem Abend immer wieder betont. Sich bedankt. Und sicher auch gemerkt: Vor ihnen stehen, tanzen und feiern 35.000 Leute, die auch mal wieder „danke“ sagen wollten – und „gern geschehen“.

Veröffentlicht wurde der Text am 4. Juli 2022 im Reutlinger General-Anzeiger (Paywall).

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