Starkes Weib mit seltsamen Tönen
Lisa Fitz zeigte sich als große alte Dame des deutschen Kabaretts und langte daneben
„Dieter Hildebrandt, der fehlt mir so.“ Szenenapplaus für Lisa Fitz, die am Donnerstag im ausverkauften franz.K vor allem Hildebrandts und ihr eigenes langjähriges Publikum versammelt hatte. Fitz verbrachte mit ihrem Programm „Flüsterwitz“ netto knapp zwei Stunden auf der Reutlinger Bühne – mit einer Energie und Präsenz, dass man ihre 67 Jahre meist vergaß. Und mit einer Mischung aus Bildung und Biss, dass die meisten reichweitenstarken Comedy-Bürschchen daneben albern wirken. Ein perfekter Kabarett-Abend war es trotzdem nicht. Die ersten seltsamen Töne kamen früh, und es wurden mehr.
Sie schaue sich gern Putins Reden an. Man solle die freie Rede genießen, solange es sie noch gebe. Der Unterschied zwischen Wahlversprechen und Wahlbetrug sei nur der Zeitpunkt. „Wir haben die falschen Staatslenker. Diese korrupten Gestalten, denen wir grundlos vertrauen.“ Die Welt werde von Kartellen gelenkt. Fitz formuliert, wie man es von rechtslastigen Verschwörungstheoretikern kennt.
Kann das sein? Lisa Fitz? Der kleine Google auf dem Schoß liefert Unerwartetes: Ja. Es kann. Anfang 2018 war sie aufgefallen mit einem Lied, in dem Kritiker Antisemitismus sahen. Auf Youtube verbreitete es sich über einen einschlägigen Kanal. 2016 gab sie dem Kremlsender „Russia Today“ ein Interview, das als rechtslastige Propaganda kritisiert wurde. All das deckt sich leider sehr mit der Live-Wahrnehmung eines wiederkehrenden unguten Untertons.
Das erschwerte es deutlich, den sonst unterhaltsamen, intelligenten Abend zu genießen. Das Publikum reagierte ebenfalls differenziert, zumindest manche verweigerten stellenweise den Applaus.
Fitz ist stark, wenn es um Frauen und Geschlechterrollen geht. Wobei sie die Geschlechtsgenossinnen auch scharf attackiert, speziell wenn die nix wissen wollen von der Welt und lieber konsumieren. Gute Sätze haut eine Fitz immer mal raus. „Zwischen Wunsch und Ziel liegt die seelische Schwerkraft.“ Oder auch: „Wenn man Chinesen erzählt, dass Salafisten potenzsteigernd sind, dann ist morgen der komplette IS pulverisiert.“
Kess gedresst fuhrwerkte sie über die Bühne, zappte routiniert durch Themen, drosch auf Politiker aller Couleur ein – teils wenig elegant, und gelegentlich griff sie auch zur Gitarre. Neben dem dubiosen, rechthaberisch dahergerappten „Ich sehe was“ sang sie seelenvolle alte Lieder, die sie einst mit Konstantin Wecker geschrieben hatte, am Donnerstag mit mehr künstlichem Hall als nötig.
Was sie zum Thema Migration zu sagen hat, würde Boris Palmer vermutlich gefallen. Und irgendwann fiel der Satz, der eigentlich alles erklärt: „Ich persönlich hatte für die Zukunft meiner Heimat eine andere Vision.“
Veröffentlicht wurde der Text am 25. November 2018 im Reutlinger General-Anzeiger (Paywall).