Sternekochs Lesestündchen

Weil Kultur nicht wehtun muss

Sternekoch Vincent Klink präsentierte im Tübinger Sparkassen-Carré sein Buch: „Angerichtet, herzhaft und scharf! Aus meinem Tage- und Rezeptebuch“

Klingonen? Äh, nein. Wobei – das mit den Sternen ist gar nicht so falsch. Klinkianer waren es, die sich am Montagabend im Tübinger Sparkassen-Carré versammelten. Zumindest begrüßte Verleger Hubert Klöpfer die Fans des Sternekochs Vincent Klink als solche. Der mittlerweile 69-jährige Klink ist offenbar nicht ausgelastet damit, in seinem Degerlocher Restaurant Wielandshöhe Zungen zu verzücken. Er will auch an die Hirne ran und an die Lachmuskeln. Klink schreibt schon lange. Nun hat der Tübinger Klöpfer&Meyer-Verlag ein Buch zusammengestellt. Am Montag las Klink Auszüge und erzählte erfreulich viel drumherum.

Fleischküchle im Liegen

Erst mal manövrierte er sich vom Rednerpult zum Lesetisch. „Ich sitze gern. Mein Berufsziel wäre eigentlich eine liegende Tätigkeit“, da sei als Koch aber einiges schiefgelaufen. Heiter weiter: „Ich weiß schon, viele sind gekommen, weil sie dachten, es gibt Fleischküchle.“ Wohlig warmgelacht hörten die Klinkianer, wie Klink zum Tagebuchschreiben kam. Vorgenommen hat er es sich in einer Silvesternacht, als er sich an nichts Konkretes im verstrichenen Jahr erinnern konnte. „Nix erlebt, bloß gschafft, letztlich nur überlebt.“ Was er seither schriftlich festhält, kann man auf der Internetseite der Wielandshöhe mitlesen. Alle paar Tage ergänzt er dort die Rubrik „Vincents Tagebuch“ um das, was ihn aktuell umtreibt. Ob Weltpolitik oder die richtige Größe von Zwiebeln im Sauerkraut, ob Brot oder Trump, Medienschelte oder Kritik an zu billigen Lebensmitteln, Klink geizt nicht mit Meinung und Pointen.

Wurst als Heimat

Und dann las und erzählte er quer durchs Buch. Wie er einst mit der Tübinger Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard ein Interview führte, er so ahnungslos wie ein Kaninchenbaby. „Mein Grundwissen war: Genmanipulation ist scheiße.“ Nach Stuttgart runter in die Stadt gehe er nur selten, diese ganzen Nasenringe, und „ich entwickle mich immer mehr zu einer Immobilie“. Was hat uns das Fett getan?, fragte er und beschrieb, wie weiß und rein das Schmalz im Kühlhaus steht – warum nicht lieber Sportgerät verbrennen als Fett?

Mehr Geld für Essen

Wurst liebe er und vertrage sie am besten. Wurst sei ein Stück Heimat, ein kitschfreies Lebensgefühl. Er beschrieb, was er als Kind gegessen hatte – so lange, bis die Zuhörer den Geschmack auf ihrer Zunge ahnten. Diese nach Kuhstall riechende frische Butter, diese intensiv schmeckenden gelben Rüben aus Mutters Garten – als Kind hasste er’s und neidete den Nachbarn die Ravioli-Dosen. Später fand er in der Nouvelle Cuisine die alten Qualitäten. Und immer wieder sein Tenor: „Bitte geben Sie fürs Essen mehr Geld aus!“

Welche Auswirkungen haben zurückgehaltene Blähungen auf die Mimik? Womit soll man putzen? Warum wird in Restaurantküchen so viel rumgebrüllt? Was ist seine Leibspeise? Und wieso hängt in seinem Lokal der Hinweis „Für Allergiker Zutritt verboten“? Das Publikum war am Ende zufrieden, und auch Klink hatte offenbar einen guten Abend: Die Zwischendurch-Musik des Duos „Tübinger Campingorchester“ brachte ihm nicht weniger als „Erweckungserlebnisse“. Wachheit wünscht er allen. „Denken Sie dran: Lesen gefährdet ihre Dummheit!“

Veröffentlicht wurde der Text am 5. Dezember 2018 im Reutlinger General-Anzeiger (Paywall).

Author Bio